In der Verantwortung

 

In guten wie in schlechten Zeiten - oder etwa nicht?


Die Wohlstandshunde treten auf unterschiedliche Arten in unser Leben. Einige Menschen entscheiden sich sehr bewusst für einen Hund aus dem Tierheim oder vom Züchter, wälzen monatelang Literatur und haben die Erstausstattung schon besorgt, bevor der Welpling überhaupt auf der Welt ist. Andere kommen wie die Jungfrau zum Kind aus der Not oder dem Zufall heraus zum Hund. Wieder andere lassen einen Hund in ihr Leben, weil sie nicht nur einen Freund und Begleiter suchen, sondern einen Helfer. Ich denke an Schäfer, Jäger oder Menschen mit Handycap. Wie es auch gewesen sein mag, spielt aber eigentlich keine Rolle. Wichtig ist nur, dass der Mensch sich aktiv für einen Hund entschieden hat und sich bis zum Lebensende des Tieres seiner Verantwortung bewusst ist. In guten wie in schlechten Zeiten - oder etwa nicht?

Die Wut


Es macht mich wütend, wenn ich auf der Facebook-Seite unseres örtlichen Tierheims lese:
"Die kleine 16 jahre alte und taube Jessy ist heute bei uns im Tierheim abgegeben worden, da die Leute keine Zeit mehr für sie haben, sie ab und zu in die Wohnung gepinkelt hat, nicht mehr groß Gassi gehen will und nichts mehr hört."*
Ein Hund ist keine Puppe, die, wenn sie nicht mehr zum Spielen taugt, entsorgt werden kann. Ein Hund ist, auch keine Waschmaschine, die auf den Wertstoffhof gebracht werden kann, wenn sie mit den Jahren undicht geworden ist. Ein Hund ist ebenso wenig ein Hobby, das man aufgeben kann, wenn es zeitlich nicht mehr in den Terminkalender passt.

Es macht mich auch wütend, wenn ich an Menschen denke, die ihren Hund abgeben, weil sie eine neue Liebschaft eingegangen sind, mit der sie in einer neuen Stadt und Wohnung zusammenziehen. Dumm nur, dass die Liebschaft eine Tierhaarallegie hat und der Hund deshalb nicht mit darf.
Ja, tatsächlich richte ich mich bei meiner Partnerwahl nach solchen Dingen. "Wo die Liebe hinfällt", mag der ein oder andere jetzt vielleicht denken. Nun, ich denke, dahin fällt sie dann eben nicht.

Was mich noch wütend macht: Ein junges Paar holt sich einen süßen Welpen, wundert sich nach zwei Wochen, dass der Hund noch nicht stubenrein ist, stattdessen aber Gegenstände ankaut, und gibt den Welpen ab.
Liebe Leser, falls Sie gerade mit dem Gedanken spielen, sich einen Welpen ins Haus zu holen, weise ich Sie darauf hin, - oh welch Überraschung! -  dass dieser seine Blase noch nicht vollständig unter Kontrolle hat und zudem erst lernen muss, wo er sich entleeren darf. Ich weise zudem daraufhin, - noch eine Überraschung! - dass Welpen während dem Zahnwechsel dazu neigen, Dinge anzunagen - so wie kleine Kinder auch. Denen gibt man oft einen Beißring, Welpen in der Regel hundegeignetes Kauzeug, das es in jeder gut sortierten Zoohandlung zu kaufen gibt. Zudem müssen kleine Hunde erst lernen, was zu benagen ist und was nicht. Bringen Sie also Ihrem Welpen verdammt nochmal das Hunde 1x1 bei, bevor Sie ihn abgeben.

Das ABER


Ich behaupt jetzt einfach: Ich würde meine Hunde nie abgeben. Und ja, ich verurteile Menschen, die ihre abgeben. ABER: Andererseits muss ich gestehen, dass mich manchmal einige quälende Gedanken beschlichen haben, als ich Louni vor 12 Jahren zu mir geholt habe. Werde ich dem Border Collie, der aus einer Arbeitslinie stammt, auch ohne Schafe gerecht? Hätte Sie es woanders nicht villeicht besser? Und auch als Klimt kam, um zu bleiben, hatte ich wieder so seltsame Gedanken. Wäre Louni nicht vielleicht lieber Einzelhund geblieben? Leidet Klimt hingegen unter Louni, weil ich wegen ihr andere Hunde meide? Hat er nur dadurch eine Leinenaggression entwickelt?
Ich kann also durchaus Menschen verstehen, die einen Hund abgeben, wenn es das beste für das Tier ist. So kenne ich Geschichten von Mehrhundehaltern, wo sich zwei Hunde einfach nicht mehr vertragen haben. Im Alltag standen alle ständig unter Strom. Die Abgabe verschaffte dann schließlich Hunden und Menschen wieder mehr Ruhe. Auch wenn Hundehalter plötzlich dauerhaft erkranken, verstehe ich eine Abgabe. Auch ein Beissvorfall in der Familie, wäre unter Umständen ein Abgabegrund, weil ich mir denken kann, dass das Vertrauen auf beiden Seiten wohl gravierend erschüttert ist. Hier kommt es aber immer auf die Gesamtsituation an. Und solange der Hund Gesund ist, muss man die Schuld vor allem beim Halter suchen, weil er sein Tier falsch eingeschätzt hat oder seine Aufmerkamkeitspflicht verletzt hat.
Ich revidiere also meine Aussage, dass ich Menschen verurteile, die ihren Hund abgeben. Stattdessen verurteile ich Menschen, die ihren Hund abgeben, ausser sie tun es aus völlig selbstlosen Gründen und nur, weil es dem Tierwohl dient.

*Jessy hat mitlerweile ein neues Rudel gefunden. Das Tierheim teilte am 11. Juni mit: "Unsere 16 jährige Oma ist heute in ihr neues Zuhause gezogen."

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